Die Macht der Bilder
Themenbereich: Gesellschaft
Land: Deutschland
Kategorie: Projekt
Die Bertelsmann-Arbeitsgruppe „Pressefreiheit“ hat sich bei ihrem jüngsten Treffen mit der Beeinflussung von Presse- und Meinungsfreiheit durch Fotos und Bewegtbilder beschäftigt. Gastreferentin war Cornelia Fuchs, die seit fast 25 Jahren als Journalistin für den „Stern“ arbeitet, dort über viele Jahre das Auslandsressort geleitet hat und inzwischen stellvertretende Chefredakteurin des Magazins ist.
Die Bertelsmann-Arbeitsgruppe „Pressefreiheit“, die es inzwischen seit mehr als acht Jahren gibt und in der Kolleg:innen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen vertreten sind, hat sich am 24. November zu einer weiteren Sitzung zusammengefunden. Bei der 90-minütigen Teams-Konferenz ging es um die „Macht der Bilder“. Sonja Schwetje, Vorsitzende der AG Pressefreiheit, sagte hierzu: „Welche Fotos darf man als verantwortungsbewusst handelnde Redaktion von kriegerischen Auseinandersetzungen oder terroristischen Anschlägen zeigen? Welche sollten wir zeigen? Und aus welchen Gründen entscheiden wir uns gegen die Veröffentlichung von bestimmten Bildern? Gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und des Konfliktes zwischen Israel und der Terrorgruppe Hamas sind dies sehr drängende Fragen.“
In ihrem Impulsreferat erläuterte die Journalistin Cornelia Fuchs anhand zahlreicher Beispiele, welche Herausforderungen die Redaktion des Magazins „Stern“ bei der Auswahl von Fotos insbesondere aus Kriegs- und Krisengebieten tagtäglich zu bewältigen hat, nach welchen Maßgaben über eine Veröffentlichung entschieden wird, wie sich diese Kriterien im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte verändert haben und was man als Fotoredakteur unternehmen kann, um sich vor der gezielten Einflussnahme durch interessierte Parteien oder Gruppierungen zu schützen.
„Fotos und Filmaufnahmen“, so die erfahrene Journalistin „sind für die Berichterstattung natürlich von großer Bedeutung, vor allem, wenn es darum geht, die Realität abzubilden und die Brutalität von Krieg oder Terror anschaulich zu dokumentieren.“ Um der hohen Verantwortung, die mit der Auswahl solcher Fotos einhergehe, gerecht werden zu können, müssen ihrer Aussage zufolge verschiedene Punkte beachtet werden: „Unsere Fotoredakteure sind sich der Tatsache bewusst, dass beispielsweise Fotos aus Kriegsgebieten nur möglich sind, wenn zumindest eine der Kriegsparteien dies erlaubt. Dementsprechend müssen sich die Kolleginnen und Kollegen bei der Auswahl immer fragen, aus welcher Quelle die Bilder stammen und ob sie Propagandazwecken oder der Desinformation dienen sollen.“ Weitere Aspekte, die bei der Bildauswahl eine Rolle spielen, seien eher moralischer Natur: Bleibt die Würde der abgebildeten Menschen gewahrt? Ist das Bild dem Betrachter zumutbar? Haben Angehörige der Abgebildeten ihr Einverständnis gegeben oder sogar den Wunsch nach Veröffentlichung geäußert?
Wenn all diese Fragen beantwortet sind und ein Foto für die Veröffentlichung freigegeben ist, ist die journalistische Arbeit aber noch lange nicht getan. „Als seriöse Berichterstatter ist es natürlich unsere Pflicht, die Bilder immer in einen entsprechenden Kontext zu setzen, das heißt die Betrachter unter anderem darüber zu informieren, in welchen Zusammenhang das Foto entstanden ist oder ob es bei der Entstehung eventuell Einschränkungen oder Auflagen gegeben hat“, so Cornelia Fuchs in ihrem Referat. Speziell zum Thema „Bilder und Pressefreiheit“ sagte sie abschließend: „Pressefreiheit in Bezug auf Kriegsbilder bedeutet immer auch den Betrachter aufzuschrecken. Pressefreiheit beinhaltet, in jedem Einzelfall verantwortungsvoll zu entscheiden und sich stets bewusst zu sein, das Krieg und Terror brutal sind. Wer diese Brutalität nicht zeigt, schönt die Realität.“
Die intensive Diskussion, die sich an das Referat der Journalistin anschloss, drehte sich unter anderem um ganz praktische Aspekte der tägliche Redaktionsarbeit. Beispielsweise um die Frage, wie es den Redakteuren gelingt, aus der großen Menge an Aufnahmen – aktuell liefern Agenturen jeden Tag 6.000 bis 8.000 Fotos allein zum Nahost-Konflikt an die „Stern“-Redaktion – diejenigen auszuwählen, die dann online oder im Heft veröffentlicht werden, oder wie die Redakteur:innen mit den psychischen Belastungen umgehen, die mit dieser anspruchsvollen Arbeit verbunden sind. Zudem ging es um die Problematik, dass inzwischen vermehrt KI-generierte Bilder im Umlauf sind, die in den sozialen Medien häufig kommentarlos gepostet werden. Nicht nur aus dieser neuen Herausforderung, da waren sich alle Teilnehmer:innen einig, ergibt sich eine hohe Notwendigkeit, die Medienkompetenz insbesondere jüngerer Menschen intensiv zu schulen.
Mitglieder der Bertelsmann-Arbeitsgruppe „Pressefreiheit“ sind Sonja Schwetje (Vorsitzende der Arbeitsgruppe, RTL Deutschland), Barbara Kutscher (Bertelsmann), Oliver Fahlbusch (RTL Group), Regina Kammerer (Penguin Random House), Rebecca Prager (Penguin Random House), Pierrot Raschdorff (BMG) und Gernot Wolf (Bertelsmann Marketing Services/Arvato).
Leser:innen, die mehr über die verantwortungsvolle Arbeit der „Stern“-Fotoredaktion erfahren wollen, empfiehlt die Arbeitsgruppe „Pressefreiheit“ diesen Link.
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Markus Harbaum
Leiter Communications Content Team
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