Howard Jacobson: „Writing is beyond shock“
Als die Berliner Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden 1 zu einer Lesung mit dem DVA-Autor Howard Jacobson lud, waren die Erwartungen hoch. Jacobson gilt als einer der witzigsten Autoren Großbritanniens und wurde als einziger Autor bereits zweimal mit dem Bollinger Everyman Wodehouse Prize ausgezeichnet, dem wichtigsten britischen Preis für humoristische Literatur. Und zusammen mit dem deutschen Schauspieler Heikko Deutschmann und der Moderatorin, der Journalistin Shelly Kupferberg, enttäuschte er sein Publikum nicht: Humorvoll und mit viel Leidenschaft wurde gelesen und diskutiert.
Zunächst trug der Man Booker-Preisträger Jacobson das erste Kapitel seines im September bei DVA erschienenen Romans „Im Zoo“ vor. Anschließend übergab er an Heikko Deutschmann, der mit viel Freude die Kapitel zwei und drei vorlas. „Im Zoo“ erzählt die Geschichte von Guy Ableman, einem Getriebenen. Mit Haut und Haar seiner hinreißend schönen und klugen Frau verfallen, begehrt er gleichzeitig deren nicht minder attraktive Mutter. Nicht nur die beiden rauben ihm seinen Seelenfrieden, auch die Arbeit lässt ihn nicht schlafen. Sein Verleger hat sich umgebracht, Vampirschmonzetten verdrängen seine Romane aus den Buchhandlungen, und ihm fehlt jegliche Inspiration für ein neues Buch. Vielleicht könnte die Liaison mit seiner Schwiegermutter ja Stoff für ein letztes, großes Meisterwerk bieten ...
Im anschließenden Gespräch mit der Moderatorin Kupferberg und dem Publikum ging es dann weniger um sein neues Werk, als vielmehr um Literatur im Allgemeinen und die derzeit zu beobachtenden Veränderungen im Leseverhalten. Er habe den Eindruck, so Jacobson, dass immer mehr Leser von einem Roman erwarten würden, sich in ihm wiederzufinden – als sei ein Roman ein Selfie. Auch Blogs sind für ihn keine neue Literaturform, sondern vielmehr „das ultimative, geschriebene Selfie“. Viele Leser würden darüber klagen, dass ein Buch „zu anstrengend“ sei und ihnen zu viel abverlange. Dafür hatte Jacobson kein Verständnis, „genau das ist doch das Aufregende an einem guten Roman“, betonte er. Thriller dagegen seien keine richtige Literatur, sondern „Flughafenlektüre“. Und schließlich sei es heutzutage kaum noch möglich, die Leser mit den eigenen Texten aufzurütteln, „Writing is beyond shock“, Literatur habe die Fähigkeit, zu schockieren verloren, so das Fazit von Howard Jacobson.