Unterstützung für schwerkranke Kinder und Jugendliche
Viele Menschen betreuen im eigenen Heim ihre pflegebedürftigen Angehörigen. Bertelsmann trägt schon seit vielen Jahren mit Spenden an das ambulante Kinder-Palliativteam „Der Weg nach Hause – Bethel“ in Bielefeld dazu bei, dass Familien mit schwerstkranken Kindern und Jugendlichen aus der Region zuhause Unterstützung bekommen. So wie Familie Gabriel mit ihrer Tochter Sandra, die Bertelsmann-CEO Thomas Rabe und Unternehmenssprecherin Karin Schlautmann im Kinder- und Jugendhospiz Bethel in Bielefeld getroffen haben.
Im Rahmen seines gesellschaftlichen Engagements unterstützt Bertelsmann seit 2006 die zwei Jahre zuvor zunächst als Projekt gegründete Initiative „Der Weg nach Hause – Bethel“ aus Bielefeld: Jedes Jahr im Dezember übergibt der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Thomas Rabe im Gütersloher Corporate Center einen Spendenscheck in Höhe von 25.000 Euro an das Projekt, das schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen mit einer begrenzten Lebenserwartung eine ambulante Behandlung und Betreuung in der vertrauten Umgebung der Familie ermöglicht. Insgesamt kamen damit bislang allein von Bertelsmann schon 450.000 Euro zusammen. Auch persönlich ist Thomas Rabe „Der Weg nach Hause“ ein Anliegen: Er verdoppelt die Bertelsmann-Spende jeweils aus privaten Mitteln und besuchte vor Kurzem zusammen mit Karin Schlautmann, Leiterin der Bertelsmann-Unternehmenskommunikation, bereits zum zweiten Mal das Kinder- und Jugendhospiz in Bielefeld. Es arbeitet mit dem ambulanten Kinder-Palliativteam „Der Weg nach Hause“ zusammen und wird ebenfalls von den von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld getragen. Eine der Familien, denen das Palliativ-Team hilft und die auch Thomas Rabe und Karin Schlautmann in Bethel getroffen haben, ist Familie Gabriel. Mit unserem Redakteur sprach Natalia Gabriel offen über die Erkrankung ihrer jetzt 23-jährigen Tochter Sandra und die schwierige Betreuungssituation – und zeigte sich dankbar für die Hilfe, die ihr zuteil geworden ist. Denn möglich wurde dies erst durch Spenden – unter anderem eben von Bertelsmann.
In Deutschland einmaliges Netzwerk
Natalia Gabriel hat sich 15 Jahre lang größtenteils allein um ihre schwerstbehinderte Tochter Sandra gekümmert. Von morgens bis abends und mehrfach in der Nacht. Sandra hat bei der Geburt durch akuten Sauerstoffmangel schwere neurologische Schäden erlitten, weswegen sie dauerhaft auf umfassende Unterstützung angewiesen ist. „Ich habe lange gedacht und gewollt, dass ich das alles selbst schaffe“, sagt die dreifache Mutter – die beiden anderen Töchter sind heute 34 und 24 Jahre alt; der Vater ist in Vollzeit berufstätig. „Und es ging irgendwie auch. Als Sandra aber immer öfter ins Krankenhaus musste, wurde mir geraten, einen Pflegedienst zur Unterstützung hinzuzuziehen.“ Seit rund sieben Jahren kommt der nun jeden Tag für acht Stunden zu den Gabriels nach Lemgo – ein erster, großer Schritt für die Frau, das eigene Leben wieder ein Stück weit zurückzugewinnen.
Doch trotz der Unterstützung durch den örtlichen Pflegedienst blieb ihre persönliche Belastung hoch – tagsüber mit der Grundpflege, vor allem aber in den Nächten und an Tagen, an denen es Sandra schlecht ging. „Eine Freundin riet mir darum kurz darauf, mich an das SAPV-Team ‚Der Weg nach Hause‘ zu wenden“, fährt die Mutter fort. SAPV bedeutet „Spezialisierte ambulante Palliativversorgung für schwerstkranke Kinder und Jugendliche“. Das sei der zweite wichtige Schritt gewesen: „Das Team steht rund um die Uhr telefonisch mit ärztlichem und pflegerischem Rat zur Verfügung, kommt bei Bedarf auch jederzeit zu uns nach Hause und hat uns auch in vielen weiteren therapeutischen Bereichen umfassend geholfen.“ Aber das ist noch nicht alles. Die Versorgung des ambulanten Kinder-Palliativteams erfolgt – einmalig in Deutschland – in Kooperation mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Kinderzentrums Bethel sowie eben auch mit dem im Frühjahr 2012 eröffneten Kinder- und Jugendhospiz Bethel als damals zehnte Einrichtung seiner Art in Deutschland mit zehn Plätzen. Ärzt:innen, Pfleger:innen und Therapeut:innen des Teams arbeiten oftmals sowohl ambulant als auch stationär. Durch dieses Netzwerk folgte für die Gabriels der dritte Schritt: „Ich kann mit Sandra für bis zu vier Wochen pro Jahr im Hospiz wohnen, wo sie uns schon von der ambulanten Betreuung her kennen, und mich in dieser Zeit von all den Mühen erholen – das tut mir und meinem Mann sehr gut.“
Anfangs war das Projekt „Der Weg nach Hause – Bethel“ mit seinem Ansatz, lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen aus der Region Ostwestfalen-Lippe in ihrer letzten Lebensphase so viel Zeit wie möglich zuhause zu ermöglichen, noch ausschließlich auf Spenden angewiesen. Denn die Krankenkassen durften ärztliche oder pflegerische Leistungen außerhalb einer Arztpraxis oder eines Krankenhauses damals in der Regel nicht übernehmen – ganz zu schweigen von darüber hinaus gehenden Leistungen wie Ergo- oder Musiktherapie für die kranken Kinder oder psychosoziale Beratung der Eltern und die Betreuung der Geschwisterkinder. Seit 2015 sind zumindest die ärztlichen oder pflegerischen Behandlungen abgedeckt – seitdem gilt „Der Weg nach Hause“ als anerkannte spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Es bleiben aber die anderen Posten, die aus Sicht des Palliativteams nicht minder notwendig sind, wie im Falle von Sandra deutlich wird.
Entlastung der Familie
„Wir haben zum Beispiel dabei geholfen, einen speziellen Liegerollstuhl für Sandra anzufertigen“, sagt Stefan Schwalfenberg, leitender Arzt des Kinder- Palliativteams und leitender Oberarzt der Palliativmedizin im Kinder- und Jugendhospiz Bethel und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Kinderzentrums Bethel. „In einem normalen Rollstuhl konnte sie nicht mehr ohne Schmerzen sitzen.“ Ins Haus der Gabriels wurde zudem ein besonderer Treppenlift eingebaut – die Mutter hatte ihre Tochter bis dahin die 15 Stufen ins obere Geschoss und wieder hinunter stets selbst getragen. Und sie erhielten auf Empfehlung des Palliativteams eine Badeliege, um den Rücken von Natalia Gabriel noch besser zu entlasten. „Die Notwendigkeit für solche und andere Dinge, die die Pflege leichter machen, kann man erst erkennen, wenn man die Menschen zuhause besucht“, erklärt der Arzt das Grundprinzip der ambulanten Beratung und Versorgung. In anderen Familien seien es die Geschwisterkinder, die einer psychosozialen oder therapeutischen Betreuung bedürften. „Sie treten angesichts der schweren Erkrankung eines Familienmitglieds oft in den Hintergrund und stehen ebenfalls im Fokus unserer Arbeit“, so Stefan Schwalfenberg. Auch die Eltern selbst würden nicht allein gelassen. „Ihnen tun Gespräche über ihre Situation gut, Gespräche, die zum Beispiel auf das Sterben und den Tod vorbereiten. Dafür sind wir da“, betont Schwalfenberg.
Jetzt aber nutzt Natalia Gabriel das erste Mal die Möglichkeit, zusammen mit Sandra eine Auszeit im Kinder- und Jugendhospiz Bethel zu nehmen. „Ich habe mich lange dagegen gesträubt, in ein Hospiz zu gehen“, berichtet sie. „Sandra ist ja nicht todkrank. Aber ich freue mich unendlich darüber, dass wir trotzdem hier herzlich willkommen sind. Es ist das Beste, was uns passieren konnte.“ René Meistrell, Einrichtungsleiter des Kinder- und Jugendhospizes und der SAPV, erklärt den Hintergrund: „Unsere Gäste sind zwar lebensverkürzend erkrankt, aber häufig noch nicht in ihrer letzten Lebensphase. Wir nehmen auch Kinder und Jugendliche mit ihren Angehörigen aus unserer ambulanten Betreuung auf, deren gesundheitliche Situation aktuell relativ stabil ist.“ Die Angehörigen können sich dann für eine oder zwei Wochen in einen separaten Gebäudetrakt zurückziehen, um noch besser abschalten zu können, und die Fachkräfte des Hospizes kümmern sich um die pflegebedürftigen Personen; ein Besuch ist natürlich jederzeit möglich. Eine solche Entlastungszeit kann von den Eltern oder einem Elternteil auch für einen Urlaub genutzt werden. Sandra Gabriel zum Beispiel ist beim Besuch schon die zweite Woche im Hospiz untergebracht. Die Woche zuvor waren ihre Eltern das erste Mal seit mehr als 20 Jahren wieder gemeinsam im Urlaub. „Es war trotzdem eine schwere Zeit für mich. Ich war unruhig und habe jeden Tag angerufen und gefragt, wie es Sandra geht“, gesteht die Mutter ein.
Aktiv auf Social Media
„Auch in Zukunft werden wir zu einem großen Teil auf Spenden angewiesen sein. Derzeit machen sie bei ‚Der Weg nach Hause‘ mit den rund 80 betreuten Familien und dem Kinder- und Jugendhospiz Bethel etwa 30 Prozent des jährlichen Etats aus“, schätzt René Meistrell. Umso dankbarer seien er und seine Teamkolleg:innen – etwa 40 Pflegekräfte, vier Ärzte sowie Therapeuten, Heil- und Sozialpädagogen, Seelsorger, Trauerbegleiter, Mitarbeitende in Verwaltung, Küche und Hauswirtschaft – über die anhaltende Spendenbereitschaft. Wie es bei Bertelsmann jedes Jahr wieder und verlässlich für das Team „Der Weg nach Hause“ der Fall ist.
Große Bedeutung kommt auch der Öffentlichkeitsarbeit zu, der sich das Bethel-Team selbst unter anderem in den sozialen Netzwerken widmet – unterstützt von den Familien. Auch Natalia Gabriel geht bewusst an die Öffentlichkeit: „Es ist so wichtig zu wissen, dass und wie man Hilfe bekommen kann – und diese Hilfe dann auch anzunehmen. Lange Zeit habe ich das nicht gewollt“, sagt sie. „Darum spreche ich ganz offen und auch mit den Medien über uns. Aber ich weiß längst: Ich will mich und Sandra nicht verstecken. Ich kann mein Wissen und meine Erfahrungen an andere weitergeben. Und die Menschen sollen wissen, dass es, wenn sie selbst betroffen sind, Hilfe gibt. Für mich ist das Kinderhospiz Bethel der schönste Ort der Welt.“