„Mein Leben ist geprägt von Dankbarkeit“
Beim siebten Gütersloher „Blauen Sofa“ war gestern Abend Schlagerstar Roland Kaiser zu Gast im Theater der Stadt. Der erfolgreiche Künstler las aus seiner Autobiographie „Sonnenseite“ und erzählte vor ausverkauftem Saal aus seinem ereignisreichen Leben. Ein Leben voller Höhen und Tiefen, das ein Mensch geführt hat, der an Herausforderungen gewachsen und sich und seinen Überzeugungen treu geblieben ist. Das Publikum bedankte sich mit großem Applaus.
Dieser Mann kann nicht nur singen und damit sein Publikum begeistern. Dieser Mann kann mit seiner unnachahmlich sonoren Stimme auch Geschichten erzählen und sein Publikum auf diese Weise in den Bann ziehen. Das liegt natürlich daran, weil es seine eigene Geschichte ist, die er mit der Journalistin Sabine Eichhorst in ein Buch verpackt und bei Heyne verlegt hat, und weil es ein eindrucksvolles Leben ist, auf das er darin zurückblickt. Auf ein Leben voller Höhen und Tiefen, das ein Mensch geführt hat, der an Herausforderungen gewachsen und sich und seinen Überzeugungen treu geblieben ist. Roland Kaiser zählt zu den erfolgreichsten Schlagerstars Deutschlands, im vergangenen Jahr erschien sein Buch „Sonnenseite“ – und gestern Abend nahm er Platz auf dem „Blauen Sofa“, das nun schon zum siebten Mal im erneut ausverkauften Gütersloher Theater gastierte. Im Publikum saß auch Karin Schlautmann, Leiterin der Bertelsmann-Unternehmenskommunikation, die für die Veranstaltung verantwortlich zeichnete. Das „Blaue Sofa Gütersloh“ wird von Bertelsmann im Rahmen des Kultursponsorings in der Stadt ermöglicht; ausgerichtet wird die Veranstaltung vom Förderverein „Theater in Gütersloh“. Nach der Begrüßung durch dessen Vorsitzenden Thorsten Wagner-Conert stand Kaiser knapp anderthalb Stunden lang der neben ihm sitzenden Ariane Binder, Moderatorin der 3sat-„Kulturzeit“, ausführlich Rede und Auskunft, las Passagen aus seinem Buch, und all das ohne jegliche Allüren und ohne jede Scheu, auch Persönliches von sich preiszugeben.
Roland Kaisers Autobiographie berichtet in großer Offenheit unter anderem von seiner nicht einfachen, aber zufriedenen Kindheit, wie er in den 1950er- und 1960er-Jahren als Vollwaise bei seiner Pflegemutter im Berliner Wedding aufwuchs und nebenbei geschichtsträchtige Momente in der geteilten Stadt erlebte: Willy Brandts Rede 1961 vor dem Schöneberger Rathaus etwa und 1963 John F. Kennedys Besuch mit seinem berühmten Satz „Ich bin ein Berliner“. Aus diesen wie aus weiteren geschilderten Erlebnissen wird klar: Roland Kaiser, der den bürgerlichen Namen Ronald Keiler trägt, denkt gern an seine Vergangenheit zurück, empfindet es als Glücksfall, bei seiner Pflegemutter aufgewachsen zu sein, gelernt zu haben, sich zu behaupten, und so Erfahrungen gesammelt haben zu können, von denen er sein ganzes Leben lang profitieren konnte. „Ich habe mit meiner Mutter morgens um halb fünf Zeitungen ausgetragen, das hat Spaß gemacht und mir Bodenhaftung gegeben“, erzählte Kaiser dem gespannt zuhörenden Publikum im Gütersloher Theater – wo sich ab und an übrigens auch eine Reihe von Fans unter anderem aus Köln und Berlin begeistert bemerkbar machten. „Mein Leben ist insgesamt geprägt von Dankbarkeit“, fuhr er weiter fort, „denn dass ich jetzt da bin, wo ich bin, verdanke ich meinem Publikum und Menschen aus meinem Umfeld.“
„Das war einfach nur blöd“
Es ist diese Bodenhaftung, diese Glaubwürdigkeit und Geradlinigkeit, die ihn ab 1974, wenige Jahre nach einem zufälligen Vorsingen im Berliner Hansa-Musikstudio – mit „In the Ghetto“ von Elvis Presley hatte er als 21-Jähriger ohne jede Übung und auf Anhieb den Musikproduzenten überzeugt und einen dreijährigen Plattenvertrag bekommen – zum erfolgreichen Schlagersänger machten. Auch dazu trug Roland Kaiser eine Anekdote aus seinem Buch vor, nämlich die über seinen Besuch bei einem Promifrisör vor seinem ersten TV-Auftritt, der in einem Dauerwellen-Desaster endete. 1976 gelang ihm mit „Verde“ sein erster Erfolg, 1980 mit „Santa Maria“ der große Durchbruch. Es folgten Hit auf Hit („Joana“, „Dich zu lieben“ oder „Warum hast du nicht nein gesagt“), Auftritte auf der Bühne und im Fernsehen, Preise und Auszeichnungen. Roland Kaiser hat bislang rund 90 Millionen Tonträger verkauft, davon ist ein großer Teil übrigens bei der früheren BMG erschienen, und kann auf fast fünf Jahrzehnte Bühnenerfahrung zurückblicken. Mit genau 67 Auftritten war er so häufig in der „ZDF-Hitparade“ zu Gast wie niemand sonst. Ein Berufsleben, das er genossen habe, in dem er aber auch zeitweilig übertrieben habe, gibt er heute zu: „Mich mit Goldkette und Champagnerglas in der Badewanne für eine Zeitschrift fotografieren zu lassen, war einfach nur blöd.“ Und heute hetze er auch nicht mehr von einem Termin zum nächsten, wie früher zum Teil mithilfe eines Hubschraubers geschehen. „Früher war ich zu Gast auf einer Bühne. Heute habe ich bei einem Konzertabend nur meine eigene Bühne“, stellte er im Gütersloher Theater klar – und meinte das abgeklärt und nicht im geringsten überheblich.Diese Abgeklärtheit hat aber sicherlich auch mit seiner schweren Lungenerkrankung zu tun, die erst durch eine Lungentransplantation geheilt werden konnte und auf die er nach seinem biografischen Ratgeberbuch auch in „Sonnenseite“ ausführlich eingeht. Er schreibt darüber, wie er die 2000 erstmals diagnostizierte Krankheit erst verdrängte, bevor er sich endlich dazu entschloss, während eines Konzertauftritts sein Schweigen zu brechen. Sein Publikum damals zollte ihm mit großem Applaus Respekt dafür – die Gäste im Gütersloher Theater gestern Abend machten es ihnen gern nach. Geradlinigkeit beweist Roland Kaiser aber auch in gesellschaftlichen und vor allem politischen Fragen: Der Künstler unterstützt zahlreiche karitative Initiativen und Projekte, die alle eng mit seiner Biografie verknüpft sind. 2002 trat er in die SPD ein – er erhielt das Parteibuch seinerzeit vom damaligen Parteisekretär Olaf Scholz –, bezieht klare politische Positionen und äußert sich offen selbst zu kritischen Themen, wie etwa 2015 bei einem Auftritt in Dresden zur damals sogenannten Flüchtlingskrise, als er sich klar gegen Fremdenfeindlichkeit und für die Aufnahme der geflüchteten Menschen aussprach. Für einen Künstler oder eine Künstlerin keine einfache Entscheidung, gestand Kaiser ein. Er sage seine Meinung, überlasse es aber jedem und jeder, das für sich selbst zu entscheiden, betonte er.