Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Anne Applebaum
Die polnisch-amerikanische Historikerin Anne Applebaum erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2024. Die Penguin-Random-House-Autorin wird für ihre tiefgründigen Analysen autoritärer Machtsicherung ausgezeichnet. Der renommierte Preis wird am 20. Oktober in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Die Werke von Anne Applebaum erscheinen in Deutschland, den USA, Großbritannien, Kanada und Spanien bei Penguin Random House.
Der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat die polnisch-amerikanische Historikerin Anne Applebaum zur diesjährigen Trägerin des Friedenspreises gewählt. Ihre Werke erscheinen in Deutschland (Siedler), den USA (Doubleday), Großbritannien (Allen Lane), Kanada (Signal) und Spanien (Debate) bei Verlagen von Penguin Random House.
In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Anne Applebaum hat mit ihren so tiefgründigen wie horizontweitenden Analysen der kommunistischen und postkommunistischen Systeme der Sowjetunion und Russlands die Mechanismen autoritärer Machtergreifung und -sicherung offengelegt und sie anhand der Dokumentation zahlreicher Aussagen von Zeitzeug:innen verstehbar und miterlebbar gemacht. Mit ihren Forschungen zur Wechselwirkung von Ökonomie und Demokratie sowie zu den Auswirkungen von Desinformation und Propaganda auf demokratische Gesellschaften zeigt sie auf, wie fragil diese sind – besonders wenn Demokratien von innen, durch Wahlerfolge von Autokraten, ausgehöhlt werden.“ In einer Zeit, in der die demokratischen Errungenschaften und Werte zunehmend karikiert und attackiert würden, werde ihr Werk zu einem „eminent wichtigen Beitrag“ für die Bewahrung von Demokratie und Frieden.
Anne Elizabeth Applebaum zählt zu den wichtigsten Analytikerinnen autokratischer Herrschaftssysteme weltweit. Sie gilt als große Expertin der osteuropäischen Geschichte und hat schon früh vor einer möglichen gewaltsamen Expansionspolitik Wladimir Putins gewarnt. Für ihre Bücher wie „Der Gulag“ (2003), „Der Eiserne Vorhang“ (2012), „Roter Hunger“ (2019) und die „Die Verlockung des Autoritären“ (2021), in denen sie den Mechanismen autoritärer Machtsicherung nachspürt, hat sie international große Aufmerksamkeit erhalten und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzer-Preis 2004 und zuletzt mit dem Carl-von-Ossietzky-Preis 2024. In ihrem neuen Buch „Autocracy, Inc.: The Dictators Who Want to Run the World“, das Doubleday im Original am 23. Juli herausbringen wird, widmet sich Applebaum den immer größeren globalen Netzwerken autoritärer Herrscher, die sich im Rahmen internationaler Allianzen gegenseitig unterstützen und so die Demokratien weltweit untergraben. Die deutschsprachige Ausgabe mit dem Titel „Die Achse der Autokraten“ erscheint am 9. Oktober bei Siedler.
„Ihre Untersuchungen autoritärer Herrschaft“, so Britta Egetemeier, geschäftsführende Verlegerin der Penguin Random House Verlagsgruppe, „machen Anne Applebaum zu einer außerordentlichen Verteidigerin von Demokratie und Frieden. Wir gratulieren unserer Autorin zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.“
Geboren am 25. Juli 1964 in Washington D. C. als Kind jüdischer Eltern, studierte Anne Applebaum zunächst an der Yale University russische Geschichte und Literatur, bevor sie in London und Oxford ihren Schwerpunkt auf Internationale Beziehungen setzt. 1988 begann sie ihre journalistische Karriere als Auslandskorrespondentin in Polen für die britische Zeitschrift „The Economist“, für die sie vor Ort auch über den Fall der Berliner Mauer berichten konnte. Anschließend arbeitete sie für weitere britische Zeitungen wie „Spectator“, „Evening Standard“, „Daily Telegraph“ und „Sunday Telegraph“. 2002 wurde sie für vier Jahre Mitglied im Herausgebergremium der „Washington Post“, für die sie bis 2019 als Kolumnistin tätig war. Seitdem schreibt sie vornehmlich für die US-amerikanische Zeitschrift „The Atlantic“.
2012 übernahm Anne Applebaum für ein Jahr den Philippe-Roman-Lehrstuhl für Geschichte an der London School of Economics and Political Science (LSE) und wurde zuvor, 2011, Direktorin des Transitions Forum am Londoner Legatum Institute, einem internationalen Think Tank, für den sie unter anderem ein zweijähriges Programm leitete, das die Wechselwirkung von Demokratie und Wachstum in Brasilien, Indien und Südafrika untersucht. Gemeinsam mit dem Magazin „Foreign Policy“ entwickelte sie das „Democracy Lab“, das darstellt, wie Staaten demokratischer beziehungsweise autokratischer werden. Mit dem „Beyond Propaganda“-Programm, das 2014 mit einer Serie von Sendungen über Propaganda und Desinformation startete, nahm sie die heutigen Debatten über Fake News vorweg. Wegen der zunehmenden euroskeptischen Haltung des Legatum Institute wechselte sie 2017 als Professor of practice zurück an die LSE. 2019 verlegte sie ihr dort konzipiertes Programm „Arena“ über Desinformation und Propaganda im 21. Jahrhundert an das Agora-Institut der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland.
Anne Applebaum, die mit Unterbrechungen seit 30 Jahren in Polen lebt, besitzt seit 2013 neben der US-amerikanischen auch die polnische Staatsbürgerschaft. Seit 1992 ist sie mit dem polnischen Politiker Radosław Sikorski verheiratet, der von 2007 bis 2014 Außenminister war und dieses Amt 2023 wieder übernommen hat. Das Paar hat zwei Söhne.
Die Verleihung des Friedenspreises findet am 20. Oktober in der Frankfurter Paulskirche statt und wird live in der ARD übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.