Claude Schmit: „Wir investieren massiv in die Zukunft unseres Programms“
Im April 1995 wurde der deutsche Kindersender Super RTL als Joint Venture der RTL Group, und der Walt Disney Company ins Leben gerufen. Was folgt, ist eine beeindruckende Erfolgsgeschichte: Seit nunmehr 15 Jahren ist der hochprofitable Sender deutscher Marktführer im Kinderfernsehen, woran auch das Aufkommen neuer Wettbewerber wie dem öffentlich-rechtlichen Kinderkanal und dem Privatsender Nickelodeon nichts änderte. Trotz dieser starken Position hat sich Disney dazu entschieden, ab Januar 2014 in Deutschland einen eigenen, frei empfangbaren Disney Channel zu starten – und dafür die bisher beim Marktführer gezeigten Disney-Serien zum neuen Sender zu verlagern. Im Interview spricht Super-RTL-Geschäftsführer Claude Schmit über die ungewöhnliche Situation der Konkurrenz im eigenen Haus und die strategische Antwort seines Senders darauf.
Herr Schmit, Super RTL ist Marktführer und sehr profitabel. Warum trotzdem diese Entscheidung von Disney für einen eigenen Disney Channel?
Claude Schmit: Super RTL war für Disney schon immer ein besonderer Fall. Wir sind weltweit der einzige Fernsehsender, für den Disney ein Joint Venture eingegangen ist. Die Argumente, die nun zur Gründung eines eigenen Disney Channel in Deutschland führen, haben wir seit Sendergründung immer wieder gehört. Es geht nicht darum, dass Disney mit der wirtschaftlichen Leistung von Super RTL unzufrieden wäre, im Gegenteil. Es geht auch nicht um die alleinige Kontrolle, wobei das natürlich mit hineinspielen mag. Es geht vielmehr darum, dass Disney der Meinung ist, dass in Deutschland, verglichen mit der Wirtschaftskraft des Landes, zu wenig Geld mit dem Merchandising von Disney-Produkten verdient wird. Denn die Merchandising-Umsätze sind für Disney insgesamt sehr viel bedeutender als die Ergebnisse der Fernsehsender. Hier soll der neue Disney Channel das deutsche Merchandising-Geschäft ankurbeln. Doch ich weiß aufgrund meiner langjährigen Erfahrung, dass Merchandising und der Verkauf von Kinderspielzeug in Deutschland anders funktionieren als etwa in den USA. Ich glaube daher nicht, dass diese Strategie den sehr optimistisch eingeschätzten Erfolg haben wird – und habe das Disney auch immer gesagt.
Wie bedrohlich ist denn der Disney Channel für Super RTL?
Claude Schmit: Da der Kuchen nicht größer wird, werden alle deutschen Kindersender den Start des Disney Channel zu spüren bekommen, wobei dessen Erfolg keinesfalls programmiert ist. Aber mit den starken Disney-Formaten wird es dem Disney Channel im Laufe der Zeit wahrscheinlich gelingen, einen signifikanten Marktanteil zu erzielen. Und Super RTL trifft der Markteintritt doppelt hart: Zum einen durch die erhöhte Konkurrenz um Einschaltquoten und damit um Werbeeinnahmen, zum anderen durch den Verlust erfolgreicher Disney-Serien wie „Phineas und Ferb“ oder „Jessie“.
Und wie gravierend ist der Verlust dieser Disney-Serien für den Sender?
Claude Schmit: Vor einigen Jahren noch hätte ich gesagt: „Sehr schlimm!“ Damals hätte uns dieser Verlust wirklich getroffen. Mittlerweile haben wir jedoch andere erfolgreiche Inhalte, nicht zuletzt unsere Eigenformate. Zuletzt hat Disney etwa 30 Prozent zu unserem Daytime-Programm beigesteuert. Allerdings, auch das ist ein Teil dieser Geschichte, gehören dazu auch Formate, die wir aus eigener Entscheidung sicher nicht gekauft und gezeigt hätten. Wirklich fehlen werden uns ab Januar am Tag etwa 20 Prozent, was auch keine Kleinigkeit ist …
… 20 Prozent, die Sie wie ersetzen wollen?
Claude Schmit: Nachdem klar war, dass die Entscheidung von Disney für einen eigenen Sender steht, haben wir beschlossen, die Hände nicht in den Schoß zu legen, sondern uns sofort auf die Suche nach hochwertigem Ersatz zu machen – schließlich wollen wir auch in ein paar Jahren noch deutscher Marktführer sein. Der größte Erfolg bei der Suche nach neuen Partnern ist uns im Mai gelungen: Die Vereinbarung einer langfristigen Partnerschaft mit Dreamworks Animation, dem größten unabhängigen Animationsstudio der Welt. Serien-Spin-Offs zu Blockbustern wie „Drachenzähmen leicht gemacht“ oder dem für Herbst dieses Jahres geplanten Animations-Film „Turbo“ sind künftig exklusiv bei Super RTL zu sehen. Wir gehen davon aus, dass wir mit diesen hochkarätigen Formaten rund zehn Prozent unseres Daytime-Programms, vor allem in der wichtigen Vorabend-Schiene, bestreiten werden. Und bei diesen Formaten haben wir, anders als bei den Disney-Formaten, auch die Online-Rechte bekommen. Das heißt, das Angebot auf unseren Internetseiten wird künftig noch attraktiver für Kinder.
… und wie füllen Sie die restliche Lücke im Programm?
Claude Schmit: In erster Linie mit den bereits erwähnten Eigenproduktionen. Eigenproduzierte Wissens- und Informationssendungen haben Tradition bei Super RTL und im deutschen Kinderfernsehen überhaupt. Eine jüngst in unserem Auftrag erstellte umfangreiche Studie zeigt, dass die Erwartungen von Eltern an das Kinderfernsehen sehr hoch sind. Sie wollen auch bei uns pädagogisch wertvolle Programme sehen. In diesen Bereich werden wir deshalb kräftig investieren und unsere Wissensmagazine künftig auch im wichtigen Vorabend-Programm zeigen. Außerdem investieren wir viel mehr als früher in die sogenannten „Production Deals“. Das heißt, wir beteiligen uns bereits in der Produktionsphase an spannenden Formaten und sichern uns so die Option auf eine spätere Ausstrahlung. Hier schauen wir vor allem auf Produktionen in Großbritannien, aber auch in Frankreich und Kanada. Während es früher nur selten Production Deals bei uns gab, haben wir derzeit 15 solche Deals abgeschlossen. Das ist für uns eine massive Investition in die Zukunft unseres Programms, da sich diese Deals frühestens in ein bis zwei Jahren bemerkbar machen werden.
Ohne die Unterstützung durch Disney auf der einen Seite, kann Super RTL da auf der anderen Seite verstärkt auf die Hilfe der Mediengruppe RTL Deutschland setzen?
Claude Schmit: Unbedingt! Als Familienmitglied der größten deutschen Sendergruppe profitieren wir von den Output-Deals, die die Mediengruppe mit den großen Hollywood-Studios abschließt. Denn einige der Formate finden ihren Weg zu uns. So zeigen wir in der kommenden Saison beispielsweise in deutscher Erstausstrahlung die US-Fantasy-Reihe „Secret Circle“ und die kanadische Mystery-Serie „Lost Girl“. Auch die sehr gut laufende Serie „Once Upon A Time“ werden wir fortführen. Und über einen Output-Deal läuft ab 14. Oktober eine weitere Disney-Serie bei uns: „Scandal“, einer der Überraschungshits der letztjährigen TV-Saison in den USA. Künftig werden uns die Kollegen der Mediengruppe noch mehr unterstützen, vor allem beim Abendprogramm sowie durch verstärkte, senderübergreifende Cross Promotion. Gemeinsam mit unserem Vermarkter IP Deutschland haben wir untersucht, welche Zielgruppen wir in der Primetime am besten erreichen können und werden uns nun in dieser Zeitschiene verstärkt an junge Zuschauerinnen wenden. Super RTL wird abends also etwas frauenaffiner werden. Das Programm dafür kommt ebenfalls von der Mediengruppe.
Disney ist als Joint-Venture-Partner über alle diese Pläne bestens informiert, betreibt aber gleichzeitig einen Konkurrenzsender. Wie soll das gehen?
Claude Schmit: Disney geht sehr professionell und gemäß der strengen amerikanischen Compliance-Regelungen mit diesem Problem um. Als erstes hat Disney eine sogenannte „Chinese Wall“ aufgebaut, um genau das zu verhindern. Als Folge davon ist Super RTL seit einigen Monaten keine direkte Disney-Tochter mehr. In unserem Beirat sitzen also nicht länger Disney-Manager, sondern ESPN-Manager. Und die berichten nicht an die Disney-Zentrale im kalifornischen Burbank, sondern an die ESPN-Zentrale in Baltimore. Das einzige, was die ESPN-Kollegen interessiert, ist die finanzielle Perspektive des Senders.
Kann so eine Abschottung wirklich wasserdicht sein?
Claude Schmit: Ja, das fragt man sich natürlich. Aber wir hatten bereits zwei für uns sehr wichtige Entscheidungen, die als Testfälle gedient haben. Zum einen ging es um die Verlängerung unseres Vermarktungsvertrages mit der IP Deutschland, mit der wir sehr zufrieden sind. Entscheidungen solcher Tragweite müssen vom Beirat abgesegnet werden. Da hätten die ESPN-Beisitzer sicher einen Grund finden können, um die Verlängerung abzulehnen. Haben sie aber nicht. Und der zweite Fall war unser Vertrag mit Dreamworks. Der ist eine direkte Reaktion auf den Disney Channel. Aber auch hier hat der Beirat anstandslos zugestimmt. Wenn das weiterhin so läuft, wenn Disney sich tatsächlich auf eine Rolle als reiner Finanzinvestor beschränkt, dann kann das funktionieren.
Zu den Maßnahmen, mit denen Sie auf den Start des Disney Channel reagieren, gehören nicht nur Änderungen beim Programm, Sie haben angekündigt, Stellen abzubauen?
Claude Schmit: Ja, ich habe den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Juni gesagt, dass wir bis zu 20 Stellen einsparen werden. Wir müssen uns – in einer Zeit, in der es Super RTL richtig gut geht – auf den härteren Wettbewerb vorbereiten. Besser jetzt in Ruhe faire Abfindungsangebote machen, als später vielleicht hektisch reagieren zu müssen. Nach drei Monaten kann ich sagen, dass das Programm sehr gut angenommen wurde und noch schneller als geplant umgesetzt werden konnte.
Ansprechpartner
Oliver Fahlbusch
RTL Group, Executive Vice President Communications & Investor Relations, Chairman Corporate Responsibility