Partner für Mediziner
Boost@Bertelsmann: Afya
Afya ist ein in Brasilien führenden Anbieter für medizinische Aus- und Weiterbildung sowie für digitale Lösungen für Mediziner. Bertelsmann hat seine Beteiligung an Afya in den vergangenen Jahren mehrmals aufgestockt.
Wer das Gebäude der IPEMED Faculty of Medical Sciences an der Straße Alameda Lorena im Herzen der brasilianischen Millionenstadt São Paulo besucht, der bekommt schon heute einen Eindruck davon, wie moderne Medizinerausbildung im digitalen Zeitalter in einem Schwellenland wie Brasilien aussehen kann. Die IPEMED-Hochschule für Medizin gehört zum börsennotierten brasilianischen Bildungsanbieter Afya, an dem die Bertelsmann Education Group mit Stand Ende 2022 bereits rund 60 Prozent der Stimmrechte hält – mit der erklärten Absicht, die Beteiligung an Afya weiter aufzustocken. In den unteren beiden Stockwerken des Afya-Gebäudes in São Paulo findet sich zunächst eine moderne, gut ausgestattete Klinik. Hier behandeln IPEMED-Medizin-Studierende unter Aufsicht ihrer ausbildenden Ärztinnen und Ärzte kostenlos Patientinnen und Patienten aus 34 umliegenden Bezirken in São Paulo. Für den praktischen Unterricht, der etwa 40 Prozent jedes Kurses ausmacht, kann die Niederlassung auf ihre eigenen klinischen Einrichtungen sowie auf Partnerschaften mit öffentlichen und privaten Einrichtungen, die vom staatlichen „Einheitlichen Gesundheitssystem“ zertifiziert sind, zurückgreifen. In den darüberliegenden drei Stockwerken sind die Lehr- und Ausbildungsräume für die Studierenden untergebracht. Und noch einmal darüber liegen zwei Stockwerke voller Technik und Aufnahmestudios, in denen Afya-Videos und -Podcasts zu medizinischen Themen produziert werden.
So ganzheitlich wie das Gebäude in São Paulo ist das gesamte Geschäfts- und Ausbildungsmodell von Afya gedacht. „Bei Afya geht es darum, Ärztinnen und Ärzte in jedem Stadium ihrer beruflichen Karriere zu unterstützen – vom Medizinstudium über die Facharztausbildung und Weiterbildung, und seit 2020 auch bis hin zur Unterstützung niedergelassener Ärzte im Praxisalltag durch digitale Produkte“, sagt Virgilio Gibbon, CEO des Unternehmens. Das Wort Afya kommt übrigens aus der in Ostafrika weit verbreiteten Bantusprache Swahili und bedeutet so viel wie „Gesundheit und Wohlbefinden“. Heute, so Gibbon weiter, sei Afya in Brasilien der führende private Anbieter für medizinische Aus- und Weiterbildung sowie für digitale Lösungen für Mediziner. Und da in Brasilien, anders als beispielsweise in Deutschland, der größte Teil der medizinischen Ausbildung über private Anbieter erfolgt, macht dies Afya auf diesem Gebiet zu einem der wichtigsten Akteure des Landes überhaupt.
Mit seinen 45 Standorten in 19 Bundesländern Brasiliens bringt es das Unternehmen aktuell auf insgesamt über 3.000 Medizinstudienplätze, was etwa 10 Prozent aller privaten Medizinstudienplätze des Landes entspricht. Bei einer durchschnittlichen Studiendauer von sechs Jahren bieten die über ganz Brasilien verteilten Afya-Fakultäten Platz für rund 23.000 Medizinstudierende. Dieser Geschäftsbereich macht etwa 90 Prozent des Umsatzes von Afya aus, der 2022 bei rund 410 Millionen Euro lag. Die restlichen zehn Prozent erwirtschaftet das Unternehmen vor allem mit digitalen Lösungen für Ärzte wie etwa Tools zur Unterstützung der Patientendiagnose oder des Praxismanagements – einem rasch wachsenden Geschäftsfeld.
Für Bertelsmann hat die Afya-Geschichte 2014 begonnen. Im Bereich Bertelsmann Investments (BI) hatte damals Shobhna Mohn zusammen mit dem BI-Team in Brasilien sowie dem lokalen Investment-Partner Crescera mit dem Aufbau einer auf Medizin fokussierten Hochschulgruppe begonnen. Bertelsmann und Crescera gründeten dafür zusammen den Bildungsfonds „Crescera Educacional II“. Zu den Unternehmen, an denen sich der Fonds dann beteiligte, gehörten die beiden Bildungsunternehmen NRE Educacional und Medcel, die schließlich 2019 zu Afya verschmolzen wurden. Auf diesem Weg wurde auch die Familie Esteves, die Gründerfamilie von NRE Educational, Mitgesellschafter bei Afya. Nicolau C. Esteves ist heute gemeinsam mit Kay Krafft, CEO der Bertelsmann Education Group, Co-Chairman des Board of Directors von Afya. Noch im Gründungsjahr brachten die Gesellschafter Afya an die US-Börse Nasdaq.
„Afya ist ein Paradebeispiel für die Arbeit von Bertelsmann Investments“, sagt Shobhna Mohn, Chief Strategy Officer von Bertelsmann Investments. „Grundsätzlich verfolgen wir bei BI drei Ziele: Es geht zunächst darum, unser Netzwerk und unser Know-how zu erweitern. Zweitens positionieren wir Bertelsmann als langfristig orientierten Kapitalgeber, der strategisch beim Geschäftsaufbau unterstützt. Und natürlich geht es drittens darum, mit dem eingesetzten Kapital eine gute finanzielle Rendite zu erzielen. Darüber hinaus versuchen wir, einige wenige strategisch relevante Beteiligungen zu identifizieren, wie eben Afya, um unseren Anteil an diesen Unternehmen zu halten beziehungsweise auszubauen.“
Afya passt sehr gut ins Bild
2021 ging Bertelsmann den nächsten Schritt: Der Konzern erwarb für 500 Millionen Euro 46 Prozent der Stimmrechte an Afya. Es war der Unternehmensanteil, der bis dahin dem gemeinsamen Fonds „Crescera Educacional II“ gehört hatte. Im Mai 2022 erhöhte Bertelsmann dann weiter und konnte damit Afya 2022 erstmals voll konsolidieren, wodurch die Afya-Beteiligung von Bertelsmann Investments in die Bertelsmann Education Group wechselte. Durch weitere laufende Aktienkäufe am Markt stieg die Beteiligungsquote zum Ende des vergangenen Jahres auf rund 60 Prozent der Stimmrechte. „Afya passt hervorragend zur Strategie der Education Group“, sagt Kay Krafft. „Es geht uns um die medizinische Aus- und Weiterbildung und um digitale Lösungen zur Verbesserung der Arbeitsabläufe im Gesundheitswesen sowie das Risikomanagement. Das Ziel der Education Group ist es, während ihrer gesamten beruflichen Karriere ein Partner für Mitarbeitende im Gesundheitswesen zu sein – und da passt Afya einfach sehr gut ins Bild.“ Auch vom Geschäftsmodell her passt Afya in die Education Group – dank starken Wachstums und erheblicher Skaleneffekte sei Afya ein hochprofitables Unternehmen mit einer hohen EBITDA-Marge.
„Entscheidender Maßstab für den ökonomischen Wert einer medizinischen Hochschule ist in Brasilien die Anzahl der Studienplätze“, erklärt Benedikt Dalkmann, CFO der Bertelsmann Education Group, der neben Kay Krafft und Tina Krebs, Chief Human Resources Officer der Education Group, sowie Shobhna Mohn für Bertelsmann im Board of Directors von Afya ist. „Neue Studienplätze müssen in einem langwierigen Verfahren vom brasilianischen Bildungsministerium zugelassen werden, und der Staat legt strenge Qualitätsmaßstäbe an, um eine einheitliche Qualität der Ausbildung im gesamten Land zu gewährleisten“, so Dalkmann weiter. Afya hat zum weiteren Wachstum und zur Konsolidierung des Marktes in den vergangenen Jahren konsequent den Weg des „Buy and Build“ gewählt – und erwirbt regelmäßig mittelgroße und etablierte Universitäten. Allein seit dem Börsengang 2019 hat Afya insgesamt 20 private Universitäten in verschiedenen Bundesstaaten Brasiliens gekauft. Zuletzt übernahm Afya dank der größten Akquisition seiner bisherigen Geschichte zwei medizinische Universitäten im Nordosten Brasiliens und gewann so auf einen Schlag 340 Medizinstudienplätze hinzu. „Das Ziel ist es, in allen Bundesstaaten Brasiliens mit eigenen Fakultäten präsent zu sein“, sagt Virgilio Gibbons.
Genau diese Präsenz in vielen Landesteilen ist es, die Afya einzigartig in der brasilianischen Bildungslandschaft macht und die dem Unternehmen in vielerlei Hinsicht große Vorteile bringt. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die Qualität des Studiums bei Afya überall auf hohem Niveau liegt, egal, an welchem Standort man studiert. Dieses Qualitätsversprechen macht Afya zum einen bei den Studierenden beliebt, zum anderen auch zu einem geschätzten Partner der brasilianischen Behörden. Diese möchten unter anderem mit verschiedenen Stipendienprogrammen die medizinische Versorgung im Land weiter verbessern und setzt dafür beispielsweise auch Anreize durch Steuererleichterungen. Stipendienprogramme wie „Mais Médicos“, was so viel wie „Mehr Ärzte“ bedeutet, zielen vor allem darauf, die Versorgung in entlegenen Regionen zu fördern. Afya gilt als einer der wenigen Anbieter, der genau das leistet.
Entscheidend für die gleichbleibende und vergleichbare Qualität der Afya-Studiengänge im gesamten Land ist das große Service Center des Unternehmens in Belo Horizonte, der sechstgrößten Stadt des Landes, im Südosten Brasiliens. Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erbringen hier zentrale Leistungen für alle Afya-Standorte und deren Studierende. „Durch die Bündelung der Support-Funktionen hat es Afya geschafft, über alle Standortorte hinweg erhebliche Skaleneffekte zu erzielen“, sagt Benedikt Dalkmann. „Durch den sichtbaren Erfolg von Afya sehen wir in jüngster Zeit, dass auch andere Anbieter versuchen, ihr Universitätsnetzwerk zu vergrößern. Das ist gleichzeitig aber auch Ansporn für das Afya-Team, das eigene Angebot für Studierende immer weiter zu verbessern.“
Enorm hoher Bedarf
Doch was macht eine private Medizinhochschule so attraktiv für Studienanfänger:innen, dass in jedem Semester auf jeden freien Studienplatz im Schnitt gleich fünf Bewerberinnen und Bewerber kommen? „Der Beruf der Ärztinnen und Ärzte gilt als krisensicher, Arbeitslosigkeit ist unter Ärzten so gut wie unbekannt“, erklärt Kay Krafft. Nach wie vor sei der Bedarf an Ärztinnen und Ärzten enorm hoch, gerade auf dem Land abseits der großen Metropolen. Während im OECD-Durchschnitt auf 1.000 Einwohner 3,5 Ärzte kommen, liegt dieser Anteil in Brasilien mit seinen 215 Millionen Einwohnern bei etwa 2,5 – in den ländlichen Regionen sogar deutlich darunter. Angesichts guter Berufsaussichten seien die Studierenden dann auch bereit, ihre Ausbildung an einer Hochschule in einem der entlegeneren Landesteile zu absolvieren. Und dank des guten Rufs und der Marketingreichweite gelinge es Afya zunehmend, nahezu alle verfügbaren Studienplätze im ganzen Land auch zu belegen, während eine einzelne, auf sich gestellte Hochschule vor Ort dies vor der Übernahme durch Afya oftmals nicht fertiggebracht habe. „Durch die Integration in die Afya-Gruppe können die neuen Standorte besser ausgelastet und auch deutlich effizienter geführt werden“, so Benedikt Dalkmann.
Ein Geschäftsfeld, von dem sich Afya viel künftiges Wachstum verspricht, ist der Bereich Digital Health. Bereits heute setzen in Brasilien rund 260.000 Mediziner digitale Services von Afya ein, beispielweise für die Praxisverwaltung, im Bereich Diagnose und Telemedizin sowie für die Ausstellung digitaler Rezepte. So bietet Afya ein Tool für Diabetespatienten an, mit dessen Hilfe sich die Krankheit ohne häufige Arztbesuche überwachen lässt. Und noch einen weiteren Vorteil bringen die digitalen Services von Afya. „Gerade in den unterversorgten Regionen Brasiliens verschaffen unsere digitalen Services den Ärzten mehr Zeit für die Behandlung von Patienten“, sagt Afya-CEO Virgilio Gibbon. „Wir leisten so auch einen weiteren Beitrag zur medizinischen Versorgung möglichst vieler Menschen.“ Zu den Kunden des Geschäftsfeldes Digital Health gehören neben den Medizinern inzwischen auch Unternehmen der Gesundheitsbranche wie Krankenversicherungen oder Pharmafirmen, die besonders an den anfallenden Daten sowie an Effizienzsteigerung und einem gleichbleibenden Versorgungsstandard interessiert sind. Mittlerweile hat Afya 90 sogenannte „B2B“-Verträge mit mehr als 40 Firmenkunden abgeschlossen.
Darüber hinaus erschöpft sich der gesellschaftliche Beitrag von Afya nicht in der Ausbildung von Medizinern. An den Hochschulstandorten wie beispielsweise dem von IPEMED in São Paulo wurden im vergangenen Jahr fast 500.000 kostenlose ärztliche Konsultationen durchgeführt. Insgesamt, so das Unternehmen, hätten mehr als 350.000 Menschen von Maßnahmen im Rahmen verschiedener Corporate-Responsibility-Programme von Afya profitiert. Dazu gehörte beispielsweise die Verteilung von mehreren Tonnen Lebensmitteln. Und auch der Umweltschutz ist Afya wichtig. 2022 erzeugte Afya über eigene Photovoltaik-Anlagen insgesamt mehr als 17.000 Megawattstunden Strom.
„Die Bertelsmann Education Group strebt mittelfristig eine Erhöhung ihres Anteils an Afya an“, kündigt Kay Krafft an. Doch neben Kapital stellt die Education Group auch ihr Know-how und ihre Erfahrung für den weiteren Ausbau von Afya zur Verfügung. Dies gelte beispielsweise für die Weiterentwicklung des Geschäfts mit Unternehmenskunden, den Ausbau der digitalen Produkte oder auch die Unterstützung bei weiteren Zukäufen (Mergers & Acquisitions). „Unser Fokus liegt klar auf Wachstum. Gemeinsam wollen wir mit der Education Group innerhalb der nächsten fünf Jahre einen Umsatz von mehr als 1,3 Milliarden Euro erreichen und eine EBITDA-Marge von über 30 Prozent“, so die Erwartung von Kay Krafft.
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