„Afya ist ein Paradebeispiel für die Arbeit von Bertelsmann Investments“
Anfang August haben die zuständigen Kartellbehörden ihre Genehmigung für die Beteiligung von Bertelsmann Investments (BI) an dem brasilianischen Bildungsdienstleister Afya erteilt. Afya ist eines von rund 380 Unternehmen, an denen sich BI seit 2006 beteiligt hat. Im Interview spricht Shobhna Mohn, Chief Strategy Officer von BI, über Afya und die weltweiten Investment-Aktivitäten.
500 Millionen Euro – so viel Geld hat Bertelsmann im Juni dieses Jahres in die Hand genommen, um sich mit 25 Prozent an Afya zu beteiligen, einem brasilianischen Bildungsdienstleister mit dem Schwerpunkt Medizin. Anfang August haben die brasilianischen Kartellbehörden ihre Genehmigung erteilt. Gemessen am Börsenwert, der bei rund 2,5 Milliarden US-Dollar liegt, ist Afya Brasiliens größtes Bildungsunternehmen. Möglich wurde diese Großinvestition durch die Arbeit des Teams von Bertelsmann Investments (BI), das Afya bereits seit vielen Jahren kennt und schon früh in das Unternehmen investiert hat. Und dabei ist Afya nur eines von insgesamt rund 380 Unternehmen, an denen Bertelsmann Investments sich seit 2006, seit Gründung des Fonds BDMI, beteiligt hat. Das BENET sprach mit Shobhna Mohn, Chief Strategy Officer von Bertelsmann Investments, über Afya und die weltweiten Aktivitäten von Bertelsmann Investments.
Frau Mohn, welche strategische Überlegung steckt hinter der Beteiligung an Afya?
Shobhna Mohn: Zunächst einmal bin ich sehr dankbar und glücklich, dass wir es mit Afya jetzt so weit bringen konnten. Eine Einzelinvestition von 500 Millionen Euro ist nichts Alltägliches, weder für Bertelsmann Investments noch für Bertelsmann insgesamt. Bei Afya sind aus unser Sicht alle Kriterien erfüllt, die wir für Investitionen bei Bertelsmann definieren. Das Unternehmen ist erstens wachstumsstark: Es hat ganz klein angefangen und wächst seit 2017 im Schnitt mit mehr als 80 Prozent pro Jahr aus eigener Kraft und durch Übernahmen. 2020 hat Afya rund 200 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, und wir erwarten ein hohes Wachstum auch für die Zukunft. Dazu kommt zweitens eine beeindruckende Ertragsstärke: Afya kann EBITDA-Margen von mehr als 40 Prozent vorweisen und hat sich trotz Wirtschaftskrise in Brasilien und nun auch der Coronakrise als sehr widerstandsfähig erwiesen. Drittens ist Afya ein zunehmend digitales Geschäft. Im Kern stehen heute noch die vielen klassischen Fakultäten von Afya. Diese verteilen sich auf 18 Bundesstaaten Brasiliens und haben zusammen etwa 35.000 Studierende, davon rund 13.000 Medizin-Studierende. Der Anspruch von Afya ist es aber, die Ärztinnen und Ärzte auf dem ganzen Karriereweg zu begleiten. Das reicht von der Vorbereitung auf das Studium bis hin zu digitalen Services für niedergelassene Ärzte. Insgesamt sind es 220.000 Studierende sowie Ärztinnen und Ärzte, die digitalen Dienstleistungen von Afya nutzen, und dieser Bereich soll weiter stark ausgebaut werden. Die digitale Lernlösung, Medcel, ist Afya übrigens in der Corona-Pandemie zugutegekommen, als die Universitäten keine Präsenz-Vorlesungen anbieten konnten.
Weitere Vorgaben für Investitionen sind die mögliche Internationalisierung und Diversifizierung des Bertelsmann-Portfolios. Wie gut passt Afya hier ins Bild?
Shobhna Mohn: Sehr gut. Mit dem Fokus von Afya auf Brasilien stärken wir – neben Penguin Random House, BMG, Arvato Financial Solutions und Arvato Supply Chain Solutions, die dort schon seit Jahren ihre Präsenz pflegen und ausbauen – unsere Position in Brasilien. Mit dem Schwerpunkt Bildung passt Afya hervorragend zu dem fünften Investitionskriterium: der Diversifizierung. So haben wir neben dem Bildungsgeschäft der Bertelsmann Education Group mit Relias und Alliant nun ein starkes Standbein in Brasilien sowohl für Bildung als auch Healthcare, was gut zu der Bertelsmann-Gesamtstrategie passt. Gemeinsam mit der Bertelsmann Education Group werden wir Afya weiter ausbauen.
Wie kam diese Beteiligung von Bertelsmann Investments an Afya überhaupt zustande?
Shobhna Mohn: Afya ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir bei BI die Investitionsstrategie langfristig gestalten. Grundsätzlich verfolgen wir bei BI drei Ziele: Es geht zunächst darum, unser Netzwerk und unser Know-how zu erweitern, sowohl in den verschiedenen regionalen Märkten, in denen wir aktiv sind, als auch in Bezug auf für uns interessante digitale Entwicklungen. Zweitens positionieren wir Bertelsmann in den für uns relativ neuen Märkten als langfristig orientierten Kapitalgeber, der strategisch beim Geschäftsaufbau unterstützt, unabhängig davon, wie hoch unser Anteil am Unternehmen ist. Und natürlich geht es drittens darum, mit dem eingesetzten Kapital eine gute finanzielle Rendite zu erzielen. Darüber hinaus versuchen wir, einige wenige, strategisch relevante Beteiligungen zu identifizieren, wie beispielsweise Afya, um unseren Anteil an diesen Unternehmen zu halten beziehungsweise auszubauen. Bertelsmann Investments hatte 2014 als Hauptinvestor zusammen mit Crescera Investimentos den Bildungsfonds Crescera Educacional II aufgelegt und hat prägend an der Ausarbeitung der Strategie für diesen Fonds mitgewirkt. Zu den Unternehmen, an denen sich Crescera Educacional II damals beteiligt hat, gehörten die beiden Bildungsunternehmen NRE Educacional und Medcel, die dann 2019 zu Afya verschmolzen wurden. Im gleichen Jahr feierte Afya sein Börsendebüt an der New Yorker Nasdaq und ist heute etwa 2,5 Milliarden US-Dollar wert. Dass wir jetzt nun direkt Anteile an Afya erwerben konnten – den Anteil, den bislang der Fonds Crescera Educacional II gehalten hat –, ist neben dem Einsatz des lokalen Managements in Brasilien auch der persönlichen Unterstützung von Thomas Rabe und dem gesamten Vorstand und Aufsichtsrat von Bertelsmann zu verdanken, die vom Potenzial von Afya überzeugt werden konnten. So eine Beteiligung kann auch nur gelingen, wenn viele Faktoren passen und wenn vor allem das Timing stimmt. Wir hatten im Lauf der Jahre immer wieder Gelegenheiten, einen Anteil an Afya direkt zu erwerben, doch das Timing passte damals nicht. Jetzt aber schon, insbesondere angesichts der guten finanziellen Lage von Bertelsmann. Heute halten wir 25 Prozent der Kapitalanteile, aber 46 Prozent der Stimmrechte, so dass wir Afya tatsächlich mitkontrollieren und zusammen mit der Gründerfamilie Esteves, die 24 Prozent der Anteile und 45 Prozent der Stimmrechte hält, und dem Management weiterentwickeln können.
Jetzt ist Afya ja nur eine, wenn auch sehr große, der zahlreichen Investitionen von Bertelsmann Investments. Wie stehen denn die anderen und BI insgesamt da?
Shobhna Mohn: In diesem Jahr kommen wir bei Bertelsmann Investments bereits auf durchschnittlich zwei Investitionen oder Desinvestitionen pro Woche. Der größte Teil davon entfällt auf China, wo mit Bertelsmann Asia Investments (BAI) unser größter Fonds aktiv ist. Begonnen haben unsere Investment-Tätigkeiten 2006 mit der Gründung von BDMI, 2007 kam BAI hinzu, 2012 Indien und Brasilien. Bis heute haben wir insgesamt 1,4 Milliarden Euro in zusammen rund 380 Unternehmen investiert. Auf diesem Weg haben wir sehr viel Know-how für Bertelsmann gewinnen können, sowohl regional als auch in für uns relevanten Geschäftsfeldern. Hinzu kommt, das wir bereits mehr als 70 Prozent des eingesetzten Kapitals über Verkäufe zurückbekommen haben. Und zusammengerechnet mit den etwa 270 Unternehmen, an denen wir noch beteiligt sind, haben wir weit mehr als den zweifachen Wert des ursprünglich investierten Kapitals erreicht. Erwähnenswert ist vielleicht, dass von den insgesamt 380 jungen Unternehmen 16 einen Börsengang geschafft haben, beispielsweise in Hongkong oder New York. Und 16 unserer aktuell 270 Beteiligungen sind sogenannte „Unicorns“ – „Einhörner“, die von den Investoren bereits mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden. Und das alles stemmen wir mit einem relativ kleinen Kernteam von rund 50 Personen bei Bertelsmann Investments, die meisten davon in den jeweiligen Märkten in den USA, China, Indien und Brasilien, aber mit Unterstützung durch das Corporate Center in Gütersloh, vor allem bei Themen wie Steuern und Recht.
Über Brasilien haben Sie bereits gesprochen, wie entwickeln sich denn die Investitionen in Indien?
Shobhna Mohn: In Indien sind wir seit 2012 aktiv, doch die Entwicklung hat sich, gerade auch in der Corona-Zeit, nochmals deutlich beschleunigt. Es ist erstaunlich, wie viel Wagniskapital heute verfügbar ist und wie viele Unternehmer mit guten Ideen da sind, so dass dieser Markt sehr an Intensität gewonnen hat. Unser Portfolio in Indien sieht hervorragend aus, was durch dynamische operative Entwicklungen, sehr gute Bewertungen und namhafte Mitinvestoren bei unseren Beteiligungen belegt wird. Eine private Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten wie in Brasilien bei Afya wäre in Indien übrigens aufgrund der regulatorischen Einschränkungen nicht möglich. Dafür sind wir aber zum Beispiel von Beginn an bei Eruditus dabei, einem globalen Anbieter sogenannter Executive Education, der mit Top-Universitäten wie der Harvard Business School, der Columbia Business School, der Cambridge University oder dem MIT zusammenarbeitet. Aktuell begleitet Eruditus rund 60.000 Studierende in Kursen wie „Executive Leadership“, „Business Analytics“ „Digital Business Leadership“ oder „Design Driven Leadership“. Eruditus wächst stark und ist für Investoren sehr interessant, so dass das Unternehmen vor Kurzem mit mehr als drei Milliarden US-Dollar bewertet wurde. Nach näherer Prüfung haben wir uns entschlossen unseren Anteil an dem Unternehmen Schritt-für-Schritt mit sehr hohen Gewinn zu veräußern. Langfristig sehe ich für Bertelsmann in Indien zwei interessante Themen: Bildung und Logistik. Der E-Commerce-Dienstleister Shiprocket beispielsweise, an dem wir bereits mit mehr als 30 Prozent beteiligt sind, steht ziemlich solide da, so dass wir dessen Entwicklung noch lange begleiten könnten.
2019 hat Bertelsmann Investments auch Afrika in den Fokus genommen, 2020 kam Südostasien hinzu. Wie ist hier die Entwicklung?
Shobhna Mohn: Der Einstieg in für uns neue Märkte ist mit einem langen Vorlauf verbunden, das haben wir auch in China, Indien und Brasilien beobachtet. Zusätzlich zu den Kernwachstumsregionen haben wir seit 2018 unseren Fokus auf Lateinamerika, Afrika und Südostasien erweitert. Hier möchten wir ebenfalls die Marktdynamik verstehen, uns als präferierter Partner positionieren und langfristige Investitionsmöglichkeiten schaffen. Als weltweit tätiger Venture-Capital-Fonds schauen wir uns die zukünftigen „Hotspots“ an, und das sind für uns Afrika und Südostasien, wo die Märkte gerade stark an Dynamik gewinnen. Hier ist es für uns wichtig, früh dabei zu sein und die Entwicklung eng beobachten.
… und was muss man tun, um früh dabei zu sein?
Shobhna Mohn: Anders als in China, Indien und Brasilien haben wir in Afrika und Südostasien kein eigenes Team vor Ort, hier arbeiten wir stattdessen mit sogenannten „Fund-of-Fund“-Investments. Das heißt, wir beteiligen uns an anderen Investmentfonds, die die Märkte vor Ort kennen und die nötige Expertise haben. So können wir mit wenig Kapital und wenig Risiko Wissen über diese Regionen erhalten. Auf diese Art haben wir gelernt, dass die für uns besonders interessanten „Hotspots“ in Afrika Nigeria, Kenia, Südafrika und Ägypten sind, wo einiges an Venture-Capital-Aktivitäten zu beobachten ist. Bislang laufen unsere Investitionen in Afrika über den Investmentfonds Partech, an dem wir seit 2019 beteiligt sind. Aber wir sind gerade dabei, in zwei weitere Afrika-Fonds zu investieren, um unser Portfolio und Netzwerk zu erweitern. In China, Indien und Brasilien haben wir übrigens ebenfalls mit zwei bis drei Fund-of-Funds-Investitionen angefangen, haben Know-how aufgebaut, die Themen und Partner identifiziert und dann erfolgreich auch direkt investiert.
… und in Südostasien?
Shobhna Mohn: In Südostasien ist Bertelsmann Investments seit Anfang 2020 mit einem Fund-of-Funds-Investment, dem Vertex Ventures Southeast Asia & India Fund IV, aktiv. Dieser Fund ist Teil von Temasek, der Investmentholding der singapurischen Regierung mit dem Ziel, Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten mit Kapital zu unterstützen und so die wirtschaftliche Entwicklung des Stadtstaates voranzutreiben. Vertex SEA & India IV hat bereits 23 Investments in der Region getätigt. Mit Vertex haben wir einen namhaften und sehr gut vernetzten Partner in der Region. Wir sind gerade dabei, uns an einem weiteren Fonds mit Sitz in Singapur zu beteiligen, um unser Portfolio und Netzwerk zu erweitern. Auch hier werden wir zunächst an unserer Fund-of-Funds-Strategie festhalten. Schon durch erste Erkenntnisse können wir beobachten, dass der Stadtstaat Singapur zwar nur ein kleiner Markt, dafür aber hochentwickelt ist und eine sehr gute Basis für die Region bietet. Andere für uns interessante Länder Südostasiens sind Indonesien und Vietnam. Letzteres profitiert gerade von einer teilweisen Verlagerung von Produktionsstätten aus China nach Vietnam. In einem zweiten Schritt könnte man dann auch Thailand, Malaysia und die Philippinen näher beobachten.
Was sind die nächsten Entwicklungen, die wir bei Bertelsmann Investments erwarten können?
Shobhna Mohn: Natürlich Afya erfolgreich begleiten, Investment-Gelegenheiten in allen Ländern konsequent weiter verfolgen, dabei unser Know-how sowohl über die Regionen aber auch die technischen und geschäftlichen Entwicklungen erweitern und vertiefen, und, wenn es so weitergeht wie bisher, auch eine sehr gute Rendite erzielen. Wir möchten noch ein oder zwei Unternehmen wie Afya identifizieren und begleiten – und da ist das richtige Timing der Schlüssel. Wir sind Tag für Tag sehr umtriebig, gleichzeitig aber auch geduldig mit einer langfristigen Perspektive.